Geschichte

Geschichte

Meine Geschichte ist ebenso bewegt wie bewegend, genauso sichtbar wie unergründlich – genau das macht mich zu einem der letzten wahrhaftigen Mysterien dieser wunderschönen Stadt. Einen Besuch bin ich deshalb immer wert!

1945/46 – Die Anfänge

IwaschtscheschkinMeine Wurzeln reichen bis ins Jahr 1945 zurück. Die Kasernenareale entlang der Marienallee waren nach der Einnahme der Stadt Dresden am 8. Mai 1945 durch die Truppen der 1. Ukrainische Front von der Roten Armee besetzt worden. Mit dem Kriegsende endet das Sterben jedoch nicht – an der Marienallee beginnt es vielmehr erst. Kriegsopfer, die nach längerem Kampf ihren Verletzungen erlagen, weibliche Militärangehörige, die bei Geburtskomplikationen oder durch Gewalteinwirkung starben, deren Kinder, aber auch Soldaten und Offiziere, die dem Chaos der ersten Friedensmonate und der allgemein schlechten Versorgungslage in der Stadt zum Opfer fielen oder die Last des Erlebten nicht ertrugen – sie alle werden zunächst wild und ungeordnet auf jener Fläche im Wald, wenige Hundert Meter oberhalb des zur Kaserne gehörenden Lazaretts, beerdigt, die heute mein Territorium bildet.

Erst im Oktober 1946 werde ich auf Befehl der Sowjetischen Militäradministratur (SMAD) offiziell als Standordfriedhof der Dresdner Garnison eröffnet. Die Beerdigungen finden nun geordnet und schon bald nach einem gestalterischen Konzept statt, dessen Erarbeitung und Umsetzung ab 1947 dem Grünflächenamt der Stadt Dresden obliegen. 032Die Gräber erhalten Grabmale und eine Bepflanzung. 1947 beginnt der Dresdner Bildhauer Friedrich Press im Auftrag der Stadt und nach Entwürfen des Architekten Emil Leibold mit der künstlerischen Gestaltung eines 16 Meter hohen Sandstein-Obelisken an meinem Südende. Als er 1949 fertig ist, trägt er die Handschrift klassischer sowjetischer Siegesikonografie – und die Inschrift:

Ewige Ehre den im Kampf für die Freiheit und Unabhängigkeit der sowjetischen Heimat gefallenen Helden. 1941–1945.

1946-1959 – Gestaltung und Erweiterung

20160509_201553Mit der dauerhaften Stationierung sowjetischer Truppen in Dresden nach der Gründung der DDR 1949 wächst die Zahl meiner Gräber weiter rasant. Bereits 1946 musste das Gräberfeld im Südflügel erstmalig nach Norden erweitert werden. In den Jahren bis 1959 werden insgesamt vier weitere Erweiterungen folgen. So entstehen ab 1953 fast parallel  der heutige Südwest-Flügel für Offiziere, der Westflügel für Mannschaften sowie der Nordflügel Abteilung II, sowie ab 1959 die Abteilung III des Nordflügels, die sowohl Gräber der Mannschaften als auch von Frauen und Kindern beherbergt. Der IMG_8967Sowjetischer Garnisonfriedhof Dresden ist nun gut zwei Hektar groß.
1957 stiftet der Rat der Stadt Dresden mir ein weiteres Denkmal – den Fahnenträger am Ende des Hauptweges, den der Bildhauer Friedrich Rogge gestaltete.

1968-70 – Ende der Begräbnisse

Ab Ende der 60er-Jahre werden immer weniger verstorbene Angehörige der IMG_7343Besatzungstruppen in meiner Erde bestattet. Wichtigster Grund ist eine Militärrechtsreform unter Brezhnew, die u.a. mit der Schließung der Standesämter in den auf dem Territorium der DDR befindlichen Garnisonen einherging. Aber auch die Lebensumstände in den Kasernen haben sich Ende der 60er-Jahre verbessert. Die Toten wurden nun zur Beerdigung fast ausschließlich in die Heimat überführt. Wenige Ausnahmen gibt es aber doch bis weit in die 70er-Jahre hinein. Diese Gräber findet ihr heute auf meinem Nordflügel. Die letzte Beerdigung auf Sowjetischer Garnisonfriedhof Dresden findet im September 1987 statt – ein zwei Monate altes Mädchen namens Jana Borisowa.

1975-1979 – 1. Rekonstruktion

Mitte der 70er-Jahre sind meine Gräber, die damals alle (auch jene auf dem Nordflügel) noch aus weichem Cottaer Sandstein bestanden hatten und sowohl bei Offizieren als auch bei Mannschaften und Zivilisten einheitlich gestaltet waren, in die Jahre gekommen. Die Inschriften insbesondere im Bereich des Süd-, Mittel- und Ostflügels sind verwittert und unleserlich geworden. Von 1975 bis 1979 erfahre ich deshalb eine erste umfassende Rekonstruktion und Umgestaltung. Dabei werden die Grabmale erneuert, aber auch Grabfeldeinfassungen zurückgebaut und die hohen Tuja-Hecken zurückgestutzt. Dadurch wirke ich insgesamt heller und weniger monumental. Dies dient damals vor allem der Kostenreduktion beider Pflege, die in den 60er-Jahren noch 75.000 Mark pro Jahr allein für die Grünpflege verschlungen hatte – eine gewaltige Summe, wenn man bedenkt, dass die Pflege meines gesamten Areals heute nur etwas mehr als 20.000 Euro im Jahr kostet.Grab 60er-Jahre
Der wesentlichste Eingriff aber erfolgt auf meinem Nordflügel: Ab 1978 wird hier die originale Grabmalsubstanz sukzessive entfernt und durch eine einfachere und vor allem haltbarere Alternative ersetzt. Die rund 600 Einzelgräber erhalten Kissensteine bzw. Standmale aus Löbejüner Quarzporphyr mit erhabenen Inschriften. Quasi unverwüstlich, befinden sie sich bis heute – trotz jahrelanger Verwahrlosung  des Nordflügels – in hervorragendem Zustand.

1992: In Trägerschaft der Stadt Dresden

Nach dem Abzug der sowjetischen Streitkräfte aus Dresden im Sommer 1992 ist die Stadt Dresden allein für den Sowjetischer Garnisonfriedhof Dresden zuständig. Nun beginnt erstmals auf Verwaltungsebene die unselige Unterteilung in „Hauptanlage“ und „Zivilteil“, die später meinen Nordflügel in arge Bedrängnis bringen sollte. Die „Hauptanlage“ wird als ein Gebiet definiert, das Süd-, Mittel-, Ost-, Südwest- und Westflügel umfasst. Der Nordflügel hingegen wird samt meiner Zivilreihe mit Zwangsarbeiter- und Kriegsgräbern einfach ausgegliedert und fortan aufgrund der dort neben zahlreichen militärischen Gräbern ebenfalls existierenden 190 Frauen- und Kindergräber als „Zivilteil“ bezeichnet. Die Hauptanlage wird als Kriegsgräberstätte unter Denkmalschutz gestellt – der Nordflügel nicht. Dennoch pflegt die Stadt Dresden vorerst auch meinen Nordflügel weiter.

1996: In Trägerschaft des Freistaates Sachsen

1996 übergibt mich die Stadt Dresden vor allem wegen der hohen Pflegeaufwendungen in Trägerschaft des Freistaates Sachsen. Das Sächsische Immobilien- und Baumanagement (SIB) ist bis heute mein Eigentümer und damit auch für Pflege und Erhalt zuständig. Doch anders als die Stadt sieht der Freistaat bald keine Veranlassung mehr, den Nordflügel instand zu halten. Grundlage für diese Entscheidung ist die Unterteilung in „Kriegsgräberstätte“ und „Zivilteil“ mit Denkmalschutz allein für die Kriegsgräberstätte. Obgleich sich auf dem Nordflügel auch etwa 25 Kriegsgräber u.a. von Zwangsarbeitern befinden, wird hier alsbald kaum noch etwas getan – mit gravierenden Folgen.
Nachdem anfangs noch ein Ehepaar die Pflege meines Nordflügels ehrenamtlich übernommen hatte, verwildert dieser nun immer stärker, als diese Quelle 1998 versiegt. Aufgrund eines fehlenden intakten Zauns im Bereich des Nordflügels gerät dieser zum Einfallstor für Schwarzwild, das für enorme Wühl- und Suhlschäden auf dem gesamten Sowjetischer Garnisonfriedhof Dresden sorgt. Besonders schlimm ist der Nordflügel selbst betroffen, wo ganze Grabfelder komplett oder teils verschüttet werden. Behoben wird dieser Missstand erst 2013 auf Initiative von Dresdner Bürgern.

1998-2003 – 2. Rekonstruktion

1998 waren die zuletzt vor über 20 Jahren rekonstruierten Grabmale auf meiner Hauptanlage abermals in einem erbarmungswürdigen Zustand. Weil die Mehrzahl der (bei Weitem aber nicht alle!) Gräber dort unter das deutsche Gräbergesetz zur Erhaltung der Kriegsgräber fällt, musste also etwas geschehen. 1998 begann die mehr als 1,2 Millionen Euro teure zweite Sanierung des Sowjetischer Garnisonfriedhof Dresden. Wieder wurde ich von oben bis unten rekonstruiert und instand gesetzt. Während auf der Hauptanlage die Grabmalsubstanz  noch weiter abgestockt wurde, um die Pflege zu erleichtern, geschah die markanteste Veränderung abermals auf meinem Nordflügel: Hier wurden 2002/03 zahlreiche der Standgrabmale flach liegend in die Erde eingelassen – um die Kosten für Standfestigungsprüfungen zu sparen. Was man abermals vergaß, war die Errichtung eines stabilen Wildschutzzaunes. Und so hielt die neue Pracht vor allem hier nicht lange. Die gelegten Grabmale erwiesen sich dabei gleich in doppelter Hinsicht als „geschossener Bock“: Zum einen erforderten sie nun noch eine intensivere Pflege, um ein schnelles Überwuchern durch Vegetation zu vermeiden, und zweitens konnten sie noch leichter vom einfallenden Schwarzwild verschüttet werden als zuvor im stehenden Zustand. Ab Mitte der 2000er-Jahre erfolgte hier deshalb so gut wie gar keine Pflege mehr.

2009: Abrisspläne für den Nordflügel

Ab 2009 beginnt mein Eigentümer als braver Verwalter, der er ist, damit, ein neues Konzept zur weiteren Reduktion der Pflegekosten zu entwickeln. Da an der Kriegsgräberstätte aus rechtlichen Gründen kaum noch gespart werden kann, rückt mein Nordflügel in den Fokus. Dieser steht weder unter Denkmalschutz noch fällt er auf den ersten Blick unter das Gräbergesetz. Die gesetzlichen Ruhefristen sind seit mindestens zwei Jahren abgelaufen – also freie Bahn. Später wird mein Eigentümer die Pflegekosten für meinen Nordflügel offiziell mit jährlich 8000 Euro beziffern – was sich als nicht wahrheitsgemäß herausstellen wird. Tatsächlich hatten sie in den letzten Jahren kaum mehr als 2000 Euro betragen, wie Zahlen des sächsischen Finanzministeriums belegen. Mit dem Ziel, die Pflegekosten zu halbieren, plant mein Eigentümer von der Öffentlichkeit unbemerkt die Einebnung der gesamten oberirdischen Friedhofssubstanz meines Nordflügels – und seine Umwandlung in eine „grüne Wiese“, an deren äußerstem Südrand am Übergang zur Hauptanlage drei Stelen mit den Namen aller Toten errichtet werden sollen. Das ganze Unterfangen soll den Steuerzahler 200.000 Euro kosten.

2010-2014: Kampf um den Nordflügel

Freundeskreis Sowjetischer Garnisonfriedhof Dresden

Nachdem am 23. August 2010 in den Dresdner Neuesten Nachrichten unter dem Titel „Stalins vergessene Helden“ ein Artikel erschienen war, für den sich die Autorin Jane Jannke (eine Dresdner Journalistin und Betreiberin dieser Seite) durch mich und vor allem die Gräber auf meinem Nordflügel hatte inspirieren lassen, fanden sich sechs DresdnerInnen, darunter auch die Autorin selbst, zusammen, die sich zunächst um eine bessere Pflege für meinen verwahrlosten Nordflügel bemühen wollten. Nachforschungen brachten jedoch alsbald die Abrisspläne des Freistaates zutage. Ende Oktober 2010 gründete sich daraufhin spontan eine noch namenlose Initiative zur Rettung des Nordflügels. Am 29. März 2011 wurde daraus der inzwischen siebenköpfige Freundeskreis Sowjetischer Garnisonfriedhof Dresden. Der Freundeskreis lehnt den geplanten Abriss zum einen aus kulturhistorischen, aber auch aus ethischen Gründen ab: Der Abriss der Grabmale bei Beibehaltung der eigentlichen Gräber würde diese anonymisieren, woraufhin sie für suchende Angehörige nicht mehr auffindbar wären.

Denkmalschutz für den Nordflügel

Noch im Herbst 2010 bemühen sich meine Freunde erfolgreich darum, meinen Nordflügel der „Denkmalsachgesamtheit Sowjetischer Garnisonfriedhof Dresden“ zuordnen zu lassen und damit um die Ausweitung der Denkmalschutzwürde auch auf diesen Bereich. Dem stimmen sowohl die obere als auch die untere Denkmalschutzbehörde zu – seit Dezember 2010 steht mein Nordflügel offiziell unter Denkmalschutz. Damit ist gleichzeitig ein wesentliches Argument meines Eigentümers für die Zerstörung meines Nordflügels außer Kraft gesetzt.

Freundeskreis beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge

Lose in einer Interessensgemeinschaft organisiert und ohne jede finanzielle und juristische Grundlagen stoßen meine Freunde alsbald an ihre Grenzen. Vonseiten meines Eigentümers wird sehr deutlich gemacht, dass man nicht vorhabe, sich von ein paar Bürgern und einem Schutzstatus von seinen Plänen abbringen zu lassen. Im Januar 2012 begibt sich der Freundeskreis Sowjetischer Garnisonfriedhof Dresden deshalb unter das Dach des Stadtverbandes Dresden des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Dies sollte schon kurze Zeit später zu erheblichen Konflikten innerhalb des Volksbundes führen, da der sächsische Landesverband in Gestalt des damaligen Vorsitzenden Dieter Landgraf-Dietz die Abrisspläne des SIB unterstützt, während die meisten anderen Vorstandsmitglieder in Stadt- wie Landesverband sich für den Erhalt des Nordflügels aussprechen.

Massive Öffentlichkeitsarbeit

Die nächsten Jahre sind geprägt von einem erbitterten Ringen um den Erhalt des Nordflügels. Hierfür fährt das winzige Häuflein Dresdner eine gewaltige PR-Maschinerie auf, um über die Bedeutsamkeit meines Nordflügels als einem der wenigen erhaltenen Zeitdokumente aus der Zeit des Kalten Krieges und der sowjetischen Besatzung in und um Dresden zu informieren und auf dessen unmittelbare Bedrohung aufmerksam zu machen. Der Freundeskreis Sowjetischer Garnisonfriedhof Dresden platziert gezielt Artikel in deutschen und auch russischen Medien. Kontakte zu ehemals in und um Dresden stationierten sowjetischen Soldaten werden aufgebaut, wo man schnell auf große Unterstützung stößt.

Gedenken zum 8. Mai

Ab 2012 wird durch den Freundeskreis und den Volksbund auf meinem Territorium erstmals seit 1989 wieder eine offizielle Veranstaltung der Stadt Dresden zum 8. Mai – dem Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus – initiiert, zu der auch erstmals wieder Vertreter von Stadt und Freistaat erscheinen. In den Jahren zuvor war dies vorrangig dem linken Spektrum und Nostalgikern überlassen worden, die am klassischen Gedenken für die Helden des Großen Vaterländischen Krieges aus DDR-Zeiten festhielten. Ich als sowjetischer Friedhof, der die Gräber derjenigen beherbergt, die in den letzten Tagen im Kampf gegen Hitlers Truppen ihr Leben ließen, scheine meinen Freunden der ideale Ort für ein solches Zeremoniell. Ein offizielles Gedenken zum 8. Mai auf dem Sowjetischer Garnisonfriedhof gibt es in der Form inzwischen aber leider nicht mehr.

Gedenken zum 23. Februar

Im selben Jahr initiiert der Freundeskreis Sowjetischer Garnisonfriedhof Dresden zudem erstmals am 23. Februar – dem ehemaligen Tag der Sowjetarmee – eine kleine Feierstunde auf meinem Nordflügel im Gedenken an die mehreren Tausend sowjetischer Soldaten, die während der Besatzungsjahre zu Friedenszeiten aufgrund der widrigen Lebensumstände innerhalb einer totalitären Armee allein in der DDR ums Leben kamen. Ziel der Veranstaltung ist es zum einen, auf das Schicksal meines Nordflügels aufmerksam zu machen und für meine angestrebte Rückübertragung an die Stadt Dresden zu werben. Zum anderen geht es aber auch darum, dem althergebrachten Heldengedenken, das bis heute an diesem Tag an meinem Obelisken stattfindet, einen Hauch Mahnung an die Seite zu stellen – sozusagen eine aufklärerische, gesamtdeutsche und durchaus kritische Perspektive auf die sowjetische Armee 22 Jahre nach der Wiedervereinigung. Diese Veranstaltung spaltet nicht nur den Freundeskreis Sowjetischer Garnisonfriedhof Dresden, was zu einer Reduktion der Gruppe von sieben auf fünf Personen führt. Es spaltet auch die Dresdner Gedenklandschaft insgesamt in Vertreter eines konservativen und eines liberalen Gedenkansatzes, was zu teils erheblichen Konflikten führt. 2018 findet auch diese Veranstaltung erstmals so nicht mehr statt.

Führungen

Ebenfalls im Jahr 2012 wird vom Freundeskreis erstmals eine öffentliche Führung über meine Anlage veranstaltet. Fortan finden Führungen zum Tag des Friedhofes, zum Tag des offenen Denkmals, zum 8. Mai und zum Tag der offenen Albertstadt und später auch ohne bestimmten Anlass statt, zu denen insgesamt mehr als insgesamt weit mehr als 200 Gäste kommen. Ziel ist es auch hier, mich als Gedenk- und Lernort stärker im Bewusstsein der Dresdner zu verankern.

Arbeitseinsätze

Mit all diesen Aktionen haben sich meine Freunde den Zorn meines Eigentümers zugezogen, der seine Pläne massiv untergraben sieht. Als im Jahr 2012 erstmals ein offizieller Arbeitseinsatz zur Instandsetzung meines Nordflügels stattfinden soll, verweigert das SIB in letzter Minute auf ordnungsgemäße Anmeldung hin sein Einverständnis. Der Freundeskreis hatte 80 Offiziersanwärter der Offizierschule des Heeres unter Leitung des damaligen Kommandeurs Brigadegeneral Jürgen Weigt mobilisiert, um meinen Nordflügel auf Vordermann zu bringen – die nun ohne ersichtlichen Grund wieder zurückgepfiffen werden müssen. In den Folgejahren fragt man nicht mehr, man legt einfach Hand an. Seit 2013 findet jedes Jahr vor dem 8. Mai ein öffentlicher Arbeitseinsatz auf meinem Nordflügel statt, der sich wachsenden Zuspruchs erfreut.

Facebook-Seite

Seit 2012 bin ich sogar online. Um noch umfänglicher über den Fortgang der Ereignisse im Kampf um meinen Nordflügel informieren zu können, rief die Betreiberin dieser Seite im besagten Jahr meinen eigenen Facebook-Auftritt ins Leben. Dort erzähle ich bis heute über alles, was sich rings um mich herum so tut. Hier erfahren Interessierte u.a., wann die nächste Veranstaltung oder Führung stattfindet, aber auch über die fortlaufend neuen Erkenntnisse aus der Erforschung der Schicksale meiner Toten, die der Seitenbetreiberin ein Herzensanliegen ist.

2012: Überarbeitete Version der Abrisspläne

Im Sommer 2012 legt mein Eigentümer eine überarbeitete Version der Abrisspläne für meinen Nordflügel vor. Nach massiver Öffentlichkeitsarbeit auch in Russland durch meine Freunde hat das Kriegsgräberbüro der Botschaft der Russischen Föderation in Berlin sein Veto eingelegt. Allerdings fordert die Behörde ungeachtet des Denkmalschutzes keinesfalls den Stopp für die Abrisspläne – sondern allenfalls noch mehr Namensstelen im Bereich der eigentlichen Grabfelder. Der SIB folgt diesem Einspruch – und plant für mehrere Tausend Euro um. Die Zerstörung meines Nordflügels soll den Steuerzahler nun stattliche 350.000 Euro kosten. Der Freundeskreis Sowjetischer Garnisonfriedhof Dresden lehnt auch diese Pläne unter Verweis auf den Denkmalschutzstatus des Nordflügels und den mit den Plänen verbundenen massiven Eingriff in die geschützte Substanz ab. Im Gegenzug bietet der Freundeskreis mehrfach ehrenamtliche Unterstützung bei der Pflege des Nordflügels an, um meinen Eigentümer bei den Pflegekosten zu entlasten. Dies wiederum lehnt mein Eigentümer ab.

Der Freundeskreis mobilisierte daraufhin weite Teile der Dresdner Gedenklandschaft. In einer gemeinsamen Erklärung wandten sich Vertreter namhafter Vereine und Initiativen wie die Jüdische Gemeinde, der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der Verband der Verfolgten des Naziregimes und das Deutsch-Russische Kulturinstitut an den damaligen sächsischen Innenminister Georg Unland und Oberbürgermeisterin Helma Orosz mit der Bitte, einen öffentlichen Bürgerdialog zum Schicksal des Nordflügels anzuberaumen. Eine Petition an den Sächsischen Landtag, die ein Mitglied des Freundeskreises eingereicht hatte, erhöhte den Druck auf meinen Eigentümer weiter. Meinen Freunden gegenüber zeigte er sich aber nach wie vor nicht gesprächsbereit.

2013: Denkmalbehörden lehnen Umgestaltungspläne ab

Sowohl die obere als auch die untere Denkmalschutzbehörde von Land und Stadt erteilen den Abrissplänen des SIB für den Nordflügel im März 2013 eine Absage. Das Vorhaben sei mit denkmalpflegerischen Grundsätzen nicht vereinbar, da weite Teile der Denkmalsubstanz dabei vernichtet würden, hieß es zur Begründung. Dass die Pläne überhaupt zur Prüfung unterbreitet werden, ist allein dem Engagement meiner Freunde zu danken, die unermüdlich die Denkmalbehörden auf das Vorhaben aufmerksam gemacht hatten. Der Tag ist ein Jubeltag für meine Freunde. Erstmals hat eine übergeordnete Instanz den Zerstörungsplänen des SIB einen Riegel vorgeschoben – ganz offiziell. Und SIE haben das erreicht. Zwar legt mein Eigentümer Widerspruch beim Kulturamt der Stadt Dresden ein – doch bis zuletzt ruht dieses Verfahren. Im Hintergrund nehmen die Stadt Dresden und der SIB derweil Gespräche auf .

2014 – Runder Tisch

Ab März 2014 beginnt endlich der von meinen Freunden seit Langem geforderte Runde Tisch zum Thema Nordflügel. Im Rahmen des Programms „Kommune im Dialog“ der Landeszentrale für Politische Bildung saßen erstmals Vertreter aller Interessensgruppen an einem Tisch, um ihre Argumente und Standpunkte auszutauschen und eine gemeinsame Lösung auszuloten. Die Friedhofsfreunde erneuern ihre seit Langem vorgetragene Forderung, mich in städtische Trägerschaft zurück zu überführen. Die Gespräche enden im Juli 2014 mehr oder weniger ergebnislos und mit der Feststellung, dass die Positionen der Abrissbefürworter und -gegner weitgehend nicht vereinbar seien. Die seitens SIB angekündigte Fortsetzung findet nicht statt. Der SIB verweist auf laufende Gespräche mit der Stadt zum Thema Übernahme, die zunächst beendet werden sollen. Mein Eigentümer erklärt sich demnach bereit, mich wieder an die Stadt Dresden abzugeben – nun liegt alles bei der Stadt.

Denk Mal Fort! – Die Erinnerungswerkstatt Dresden

Parallel zum Runden Tisch gründete sich im März 2014 aus dem Freundeskreis Sowjetischer Garnisonfriedhof Dresden heraus der Verein Denk Mal Fort! – Die Erinnerungswerkstatt Dresden. Ziel der Vereinsgründung war es, unabhängig von anderen Organisationen wie etwa dem inzwischen über der Friedhofsfrage heillos zerstrittenen Volksbund zu werden und künftig noch zielgerichteter und schlagkräftiger für die eigenen Interessen eintreten zu können. Der Verein hat seinen Handlungsradius inzwischen vom alleinigen Engagement für den Sowjetischer Garnisonfriedhof Dresden hin zu vielfältigen erinnerungskulturellen Projekten erweitert. Ich bleibe jedoch bis heute ein Schwerpunkt der Vereinsarbeit.

2014 – Neues Denkmal für Rotarmisten

Im November 2014 errichtete mein Eigentümer auf Ersuchen der Botschaft der IMG_1106Russischen Föderation in Berlin am Übergang zwischen Hauptweg und Südwest-Flügel einen schlichten Gedenkstein in Form einer liegenden Platte aus poliertem Granit. Der Stein trägt inzwischen fünf Namen von Rotarmisten, die in den letzten Kriegstagen bzw. in den Monaten nach Kriegsende teils auf tragische Weise ums Leben kamen. Ihre Namen lassen sich nicht in den Friedhofslisten finden, die Botschaft der Russischen Föderation besteht jedoch gegenüber meinem Eigentümer darauf, dass die Betreffenden hier beerdigt bzw. umgebettet wurden. Entsprechende Nachweise wurden nicht vorgelegt. Forschungen ergaben, dass mindestens drei der Toten an anderen Orten bestattet wurden. Warum sie dennoch auf dem Sowjetischen Garnisonfriedhof namentlich erwähnt werden, dazu äußert sich die Botschaft auf Anfrage nicht. Die Kosten in Höhe von mehreren Tausend Euro für Errichtung nach sukzessive Bearbeitung trägt der Steuerzahler.

2019 wird aus dem inzwischen mit fünf Namen bestückten Stein mit einem Zwilling ein kleines Ensemble.

Der SIB hat jedwede Pfegeaktivitäten auf meinem Nordflügel seit Mai 2013 eingestellt. Mein Nordflügel wird seither allein durch das Engagement Dresdner Vereine und Bürger begehbar und in einem pfleglichen Zustand gehalten. Zweimal im Jahr – im Frühjahr und im Herbst – finden öffentliche Arbeitseinsätze statt.

Die Veranstaltungen zum 8. Mai und zum 23. Februar, die der Freundeskreis Sowjetischer Garnisonfriedhof 2012 eingeführt hatte, sind inzwischen „eingeschlafen“ bzw. auf symbolische Gesten reduziert worden. Es ist allgemein ruhiger geworden um mich.

2018 – Stadtrat beschließt Rücknahme in Trägerschaft der Stadt

2018 beschließt der Dresdner Stadtrat, dass ich zurück in die Trägerschaft der Stadt übernommen werden soll. Dem vorangegangen waren jahrelange Verhandlungen des Sächsischen Immobilien- und Baumanagements mit der Stadt über meine Rücknahme, die vor allem an der leidigen Kostenfrage gescheitert waren. Nachdem die Umgestaltungspläne für den Nordflügel durch das bürgerschaftliche Engagement für seinen Erhalt ins Leere gelaufen waren, wollte der Freistaat Sachsen mich abstoßen. Auch die Bürgerinitiative „Freundeskreis Sowjetischer Garnisonfriedhof Dresden“ und der daraus entstandene Verein „DenkmalFort! – Die Erinnerungswerkstatt Dresden“ hatten sich jahrelang für meine Rückübertragung an die Stadt stark gemacht.

Ab 2019 – zurück in Trägerschaft der Stadt

2019 erfolgt offiziell die Übernahme in die Zuständigkeit des städtischen Amtes für Stadtgrün und Abfallwirtschaft. In öffentlicher Erklärung gelobt die Stadt, mich künftig als zeithistorisches Denkmal in Erinnerung an die 50 Jahre währende Epoche der Sowjetischen Besatzung in Dresden als Ganzes dauerhaft zu erhalten und der Öffentlichkeit als Lernort zugänglich zu machen.

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